Dort, wo Schuppen aus den Haaren fallen

Ich wohne jetzt dort, wo Menschen Schuppen aus den Haaren fallen. Sie fallen dort reihenweise und als kollektives Phänomen, deren Ursprung mit großer Wahrscheinlichkeit in der Verkalkung des Wassers zu finden ist. Dort wohne ich nun, zwischen Sparkasse und VoBa, zwischen zwei Parks, zwischen Hype-Viertel und Assi-Mitte. Der Ort an dem ich jetzt wohne, besteht zu einem Großteil aus rießigen Vorstadtvillen (ohne Vorstadt), aus Sand (überall ist Sand) und Sonnen durchfluteten Straßen. Noch nie habe ich so viele Sonnenstunden erlebt, vor allem goldenen Stunden, morgens und abends. Kurz; ich bin high on Flutlicht. Es gibt auch viele Hinterhöfe und ein paar Hügel, aber keinen einzigen Fluß (nicht mal ein Rinnsaal). Im Hochsommer wird es sicherlich überall flimmern. Im Vergleich zu dem Ort, an dem ich vorher gelebt habe, gibt es überall gutes Essen und orangene Menschen auf Rädern, die andauernd gutes Essen ausfahren. Die Stadt ist nicht groß, aber sie ist voll und platzt gefühlt aus allen Nähten. In den vielen Parks der Stadt liegen zuviele Menschen, die wie ich keinen Balkon haben. In den Einkaufstraßen hängen zu viele Menschen herum und es bilden sich immerwieder Schlangen vor Klamotten- und Billigläden. Meine Recherchen ergaben außerdem; es gibt hier tatsächlich ungewöhnlich viele Zigarettenautomaten, dafür aber kaum Briefkästen. Und wenn es Briefkästen gibt, werde diese immer erst um 17:00 Uhr geleert. 

Ich lerne auch, dass es nicht so einfach ist, Straßenbahntrassen von Bürgersteigen und Busspuren zu unterscheiden. I've learned it the hard way. 

Hier gibt es freie Künstlergärten und diverse Höhen, aber keine Tiefen. Einen kleinen Teegut und einen großen Assi-Rewe. Aber kaum einen Bäcker der sonntags auf hat.

Ich mag es gerne einen neuen Ort zu entdecken, seine Spleens und Macken, seine Hot-Spots, Higlights und Besonderheiten zu erforschen. Es ist ungewohnt einen Ort ohne Cafés, Bars oder Restaurants zu erkunden. Ohne viele Menschenmengen, Programme und Vorstellungen. Aber so kann ich das pure Straßen-Feeling spüren und Menschen beim Geld abheben beobachten. Das ist ein ziemliches Schausspiel. Sowieso scheinen Banken persönliche Krisen anzuziehen (Ach!), die insbesondere nachts gerne ausdiskutiert werden. 

An diesem Ort kann ich überrascht auf Balkonen stehen, von denen es so aussieht als wäre alles grün und ich an einem völlig fremden Ort. Das stimmt ein bisschen, denn die Ecken sind noch frei von Erinnerungen und müssen ersteinmal neu beschrieben werden. 

Ich kann mit Elekrorollern umher cruisen und von allen gehatet werden. Ich finde abgelegene Orte und absurde Häuser, kleine Müllberg-Hügel und grüne Oasen. 

Viel Zeit verbringe ich zudem mit schwelgen und Tagträumen, so als wäre ein neuer Ort eine Insel, auf der man besonders gut abweifen kann. Ich schweife so oft ab, dass es manchmal schwierig ist im Hier und Jetzt zu sein. Ich träume so viel, dass es manchmal verwirrend wird. Die Transition von einem zum anderen Ort ist von schwebenden Zuständen geprägt, von Eifer und Stillstand. Ein bisschen wie joggen in Zeitraffer. Doch dann holt mich das Grünste grün zurück und auch die Sonne blendet meist, wenn ich zu lange hinein starre und meine Augen tränen. Es ist wie eine Reise ohne Fortbewegung. So oder so, ein Abenteuer. 


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